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Terrorisme, guerre, mondialisation, démocratie...
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Après le 11 sept. 01

 

Ulrich Beck, Professor für Soziologie an der Universität München, Neue Zürcher Zeitung (15. März 2003)
Militärische Aufklärung?
Das Paradox der Drohung mit Krieg

In dem folgenden Beitrag beleuchtet der Münchner Soziologe Ulrich Beck die Wirkung, die von der energischen Androhung des Kriegs im Irak ausgehen könnte. Seine These: Selbst eine mögliche friedliche Lösung des Konflikts setzt die kompromisslose Bereitschaft voraus, notfalls militärisch einzugreifen.

Die Kriegsangst macht blind für das, was sich unter dem Eindruck derselben an vermeintlichen Wundern ereignet: Saddam Hussein, ein blutrünstiger Diktator, der seine Nachbarn überfallen, chemische und biologische Waffen gegen sein eigenes Volk eingesetzt, einen Polizeistaat errichtet und die Uno-Waffeninspektoren jahrelang an der Nase herumgeführt hat, wandelt sich vom Saulus zum Paulus.

Die Nachrichten von seiner Wunderheilung überstürzen sich: Erst öffnete Saddam Hussein nach einigem Zögern die Paläste den Waffeninspektoren, jetzt zerstört er, worauf sein Stolz sich gründet - die El-Samud-2-Raketen -, und nun hat er noch der Uno binnen kürzester Zeit einen neuen Bericht zu seinen chemischen und biologischen Kampfstoffen zugesagt. Entdeckt der menschenverachtende Despot sein Herz für die Weltgemeinschaft? Kann er sich dem grossväterlichen Charme des Uno-Chefinspektors Blix und den mit Friedensengelszungen redenden Europäern, Chirac und Schröder, nicht länger verschliessen?

Wohl kaum. Die brutale Wahrheit lautet: Es ist die überwältigende US-Militärpräsenz, legitimiert durch die Repräsentanz des globalen Rechts, die Vereinten Nationen, die Saddam keine andere Chance lässt.

Hier leuchtet eine Alternative auf zu entweder Krieg oder Status quo, entweder Bomben auf Bagdad, oder der Diktator Hussein geht wie Phoenix aus der Asche gestärkt aus dem Ringkampf mit Präsident Bush hervor; über diese Alternative wurde bisher nicht systematisch nachgedacht: eine Politik der militärischen Bedrohung, die friedlich die Welt verändert. Diese Alternative beruht auf der gefährlich abschüssigen Unterscheidung zwischen Krieg und Kriegsdrohung und auf der nicht weniger abenteuerlichen Dialektik, dass mit der Perfektionierung der Kriegsdrohung verbunden werden kann, was sich ausschliesst: das despotische Regime zu stürzen und den Krieg zu vermeiden. Das kann man in einer paradoxen Wortbildung vielleicht als «militärische Aufklärung» begreifen: Nur das bedingungslose Ausspielen der unipolaren US-Militärmacht, die keinen Rivalen kennt, kann - das ist die zentrale Paradoxie - den Einsatz militärischer Gewalt überflüssig machen. Wer beides will - die Welt verbessern und den Krieg verhindern -, muss in Wort und Tat die Sprache der kriegerischen Weltverbesserung sprechen, die den Menschen absolut verlogen erscheint.

Es mag ja sein, dass die Amerikaner die Demokratisierung nicht ernsthaft anstreben. Aber warum sollten die Europäer das nicht tun? Die Alternative könnte lauten: den militärischen Druck beizubehalten und den Uno-Auftrag zu erweitern auf schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen im Irak. Man müsste Amnesty International in die Gefängnisse schicken und das Regime auf diese Weise zusätzlich destabilisieren und eine demokratische Neuordnung im Nahen Osten in Gang setzen.

Den Ernstfall wollen

Die Widersprüche dieses «militärischen Humanismus» liegen auf der Hand. Die Kant'sche Vernunftidee einer «friedlichen, wenngleich noch nicht freundschaftlichen, durchgängigen Gemeinschaft aller Völker auf Erden, die untereinander in wirksame Verhältnisse kommen können», (Immanuel Kant) wird durch die Renaissance der mittelalterlichen Doktrin vom «gerechten Krieg» unglaubwürdig gemacht. Nur eine Kriegsrhetorik und Kriegsstrategie, die sich durch nichts, auch nicht durch ihre Erfolge - Saddam Hussein rüstet Zug um Zug ab - von ihrer Drohgewalt abbringen lässt, kann den friedlichen Zusammenbruch des despotischen Regimes herbeiführen. Jedes Einlenken, jegliche Kompromissbereitschaft, jedes Wenn und Aber befreit das Regime aus der Einsicht in die Ausweglosigkeit.

Je erbarmungsloser die Militärmacht auftrumpft, desto aussichtsloser ist jeder Versuch eines Diktators, eines Tyrannen oder Despoten, sich mit militärischen Mitteln gegen seine Entwaffnung zur Wehr zu setzen, desto wahrscheinlicher also ist, dass dies allein mit der Androhung militärischer Gewalt, also mit friedlichen Mitteln, gelingt. Allerdings fallen diese sogenannten «friedlichen Mittel» von Anfang an zusammen mit der unaufhaltsamen Vorbereitung des Krieges. Ja, ihre mögliche «Friedlichkeit» beruht auf der Überzeugungskraft des drohenden Krieges. Erst im Nachhinein, wenn es also schon zu spät ist, könnten sie sich als «friedliche Mittel» erweisen. Denn es gilt die Paradoxie: Die militärische Eroberung des Iraks kann in dem Masse verhindert werden, in dem die militärische Eroberung so sicher wie das Amen in der Kirche ist. Die Hoffnung, dass der Moment, in dem der Krieg beginnt, der Moment ist, in dem der Krieg endet, kann sich allerdings als gefährliche Illusion erweisen. Dieser natürlich höchst fragwürdige «militärische Humanismus» setzt, wie gesagt, auf die absolute Übermacht, die absolute Politik der Bedrohung und die Einsicht der Despoten in die absolute Aussichtslosigkeit jeglicher Gegenwehr; wobei es nützlich sein mag, den Übelhaupttätern und den Übelmittätern den Schlupfweg des Exils oder der Amnestie zu eröffnen, wie es die arabischen Nachbarn jetzt vorgeschlagen haben.

Kriegsdrohung und Diplomatie

Der Erfolg dieser Strategie hängt erstens davon ab, dass die jeweiligen Diktatoren, gegen die sie sich richtet, schwache Diktatoren sind. Sie verbietet sich gegen Nordkorea, das über Atomwaffen verfügt, ebenso wie gegen China oder Indien und Pakistan. Zweitens steht und fällt diese Strategie mit der weltpolitischen Isolation des jeweiligen Despoten. Es gilt, diesen von jeglicher Koalitionsmöglichkeit zur Gegenwehr abzuschneiden. Drittens ist die Wirkung der Daumenschrauben der Kriegsdrohung umso erfolgversprechender, je mehr das despotische Regime bereits in sich morsch ist, sich also in einer - mindestens latenten - revolutionären Situation befindet. Dann, wenn die Macht der Despotie nur noch am seidenen Faden der verzweifelten Gleichgültigkeit der mehr und mehr leidenden Bevölkerung hängt, können die Waffen in der Entscheidungssituation leicht die Hände und die Fronten wechseln. Im Falle des Iraks ist dafür das Votum der arabischen Staaten sicher wichtig. Wenn sich Ägypten, der grösste arabische Staat, gegen Saddam Hussein ausspricht (und von seinen westlichen Freunden dazu wirkungsvoll gedrängt wird), würde das in Bagdad vielleicht manchen ermutigen, sich im entscheidenden Moment offen gegen den Herrscher zu stellen. Anders gesagt: Neben der Kriegsdrohung bedarf es einer ausgeklügelten Diplomatie, um dem Ziel des Regimewechsels friedlich zum Erfolg zu verhelfen.

Die Gegenposition der nur friedfertigen Europäer hat einen doppelten Pferdefuss: Sie schützt die Tyrannen und torpediert die friedliche Demokratisierung der Welt mit der Politik militärischer Drohung. Der europäische Protektionismus, der die nationalstaatliche Souveränität heiligt, ist moralisch und politisch problematisch. Man wäscht fast obsessiv seine Hände öffentlich in Unschuld - und übersieht dabei beflissentlich die Schuld, die man dadurch auf sich lädt.

Dies ist das Dilemma: Die Entscheidung ist nicht länger die zwischen Krieg und Frieden, sondern die zwischen gar nichts tun und etwas tun. Auch gar nichts tun erzeugt eine moralische Schuld: Denn indem man das wählt, bestätigt man den Status quo, in dem Menschen gemordet, gefoltert werden, sterben und verhungern.

Absolute Ansprüche

Das Problem dabei ist nicht nur der missionarische Eifer, mit dem die USA vorgehen; es steckt mehr dahinter. Die Bush-Regierung ist religiös übercodiert. Sie verfolgt ihre Ziele mit einer «absoluten Politik», die zugleich auf einen Abschied von der Politik hinausläuft: «Politik» wird im Namen eines Absoluten betrieben, das keine Verhandlung, keinen Kompromiss mehr zulässt. Die Logik des Vertrages wird auf den Müllhaufen des Kalten Krieges geworfen, und die Kunst der Diplomatie verkümmert. An ihre Stelle tritt: entweder für uns oder gegen uns. Das Ringen um Einsicht, die Kritik voraussetzt, wird hinweggefegt mit dem Pauschalverdacht eines gleichsam genetisch bedingten Antiamerikanismus. Oder wie eine türkische Zeitung nach dem Nein des türkischen Parlaments zur Stationierung von US-Truppen in der Türkei schrieb: Bush will die Demokratie in die muslimische Welt einführen: Hier hat er sie.

Das ist es, was die Menschen in Europa zutiefst beunruhigt und zu den grossen Demonstrationen seit Mitte Februar 2003 auf die Strassen trieb: Das Nein zum Irak-Krieg war wohl vor allem ein Nein zu einer zugleich absolutistischen und revolutionären Nicht-Politik Amerikas, die die Welt von ihren selbstverschuldeten Fesseln der Tyrannei befreien will.

Zwei Lehren, die der noch nicht begonnene Irak-Krieg erteilt, stehen heute freilich schon fest. Erstens: Wir erleben die Paradoxien der Politik einer militärischen Drohung zur Entwicklung und Befriedung der Welt. Unabhängig vom Ausgang im konkreten Fall wird das eine verhängnisvolle Militarisierung der internationalen Beziehungen in Gang setzen. Zweitens: Die Arbeitsteilung der Weltpolitik, wonach in diesem Kriegspoker die Amerikaner den kriegslüsternen Sheriff spielen, die Europäer dagegen den friedensverliebten Richter, funktioniert nicht. Wenn dagegen das kriegerische Amerika einsähe, dass auch die überlegenste Militärmacht nichts nützt, wenn sie sich gegen das Weltrecht stellt, und umgekehrt das unkriegerische Europa auch zur Militärmacht wird, könnte das die atlantische Allianz neu begründen.

Ulrich Beck wurde international bekannt durch sein Buch über die «Risikogesellschaft» (1986). Vor kurzem erschien zum Thema «Macht und Gegenmacht im globalen Zeitalter».

 

 


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Dernière mise à jour: 18.03.2003

François Brutsch - Genève (Suisse) & London (UK)